von Marc Jost, ehem. EVP-Grossratspräsident, Generalsekretär Schweizerische Evangelische Allianz (SEA)

(Referat, gehalten an der Medienkonferenz des Abstimmungskomitees «Nein zur Ehe für alle» am 27. August 2021 in Bern. Es gilt das gesprochene Wort.)

Sie sehen, wir Gegner konzentrieren uns bewusst auf die Frage des Rechts der Kinder. Und das kommt nicht von ungefähr. Die rechtliche Situation der beiden Erwachsenen wird nur am Rande verbessert. Die erleichterte Einbürgerung und die Gütergemeinschaft könnten übrigens im bestehenden Partnerschaftsgesetz umgesetzt werden.

Das Problem der Vorlage liegt tatsächlich insbesondere bei der Samenspende, welche auf lesbische Paare bedingungslos ausgeweitet werden soll. Es wird hier der Kinderwunsch von Erwachsenen über das Recht und das Wohl des Kindes gestellt. Dem Kind werden dabei unnötigerweise gleich zwei Startrisiken mit auf den Weg gegeben. Und diese Hypotheken wären nicht nötig. Zum einen muss das Kind auf seinen biologischen Vater verzichten. Bis 18 Jahre – bis dann also, wenn die entscheidenden kindlichen Entwicklungen abgeschlossen sind – hat das Kind kein Recht, seinen Vater zu kennen. Und auch danach ist es überhaupt nicht gewährleistet, dass der Erzeuger Kontakt, geschweige denn eine Beziehung wünscht. Eine potenzielle Identitätskrise begleitet diese Kinder.

Die zweite unnötige Starthypothek, die bei lesbischen Paaren hinzukommt, ist der fehlende männliche Elternteil. Damit wir richtig verstanden werden, es geht hier nicht um pädagogische Kompetenzen, es geht nicht um die Liebe zum Kind oder die Für-sorge. All dies ist unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Es geht darum, dass eine Frau keinen Vater ersetzen kann. In unserer Gesellschaft wird zu Recht gefordert, dass in Parlamenten und Verwaltungsräten auf eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter geachtet wird. In der Volksschule wird kritisiert, dass gerade Jungen vom Kindergarten bis zur Oberstufe vorwiegend Lehrerinnen als pädagogische Lernbegleitung haben. Und das ist ein entwicklungspsychologisches Problem. Und jetzt soll mit dieser Vorlage hier am Beginn des Lebens dieser Kinder ganz auf eine männliche Identifikationsfigur verzichtet werden. Das ist nicht nur unverständlich, es ist eine Instrumentalisierung der Kinder für das Erwachsenenglück. Diversität in der Partnerschaft ist tatsächlich ein Mehrwert. Männer und Frauen sind anders, sie sind verschieden, sie ergänzen sich. Und davon profitiert das Kind.

Es wird gesagt, schon heute sei es eine Realität, dass Kinder in unterschiedlichsten Familiensituationen aufwachsen würden. Deshalb sei es kein Problem auch bei lesbischen Paaren vom Ideal abzuweichen. Solchen Aussagen liegt ein Denkfehler zu Grunde: Trennungen, Scheidungen und die Situation plötzlich alleinerziehend zu sein, das wählt niemand freiwillig; weder für sich noch für das Kind. Und zudem können solche Schicksale alle Partnerschaften treffen, egal ob hetero- oder homosexuell. Nein, der Unterschied liegt darin, dass diese Situation, wo das Kind ohne biologischen und ohne sozialen Vater leben muss, bewusst gewählt wird und dem Kind ohne Not dieses Starthindernis zugemutet wird.

Im Gegensatz zur heute geltenden Samenspende, die begrenzt ist auf unfruchtbare Ehepaare, würde sie neu von der Ausnahme zum Regelfall. Und es wäre auch kein sozialer Vater da, der sich das Kind wünscht und Verantwortung übernimmt, wie das bisher der Fall ist.

Wir respektieren die Freiheit und das Bedürfnis von gleichgeschlechtlichen Paaren sich rechtlich abzusichern und zivilrechtlich zu verbinden. Aber die Instrumentalisierung der Kinder fürs eigene Glück überschreitet eine ethische Grenze, die wir mit Überzeugung verteidigen wollen.

Marc Jost